Ein Interview mit einer Frau mit Behinderung: „Ich mag Sex!“
Dieses mal haben wir ein Interview mit einer jungen Frau mit Behinderung gemacht, welche offen über ihren Bezug zur Sexualität sprach.
Die Entscheidung, wie sich eine Behinderung auf Ihr Leben auswirkt, liegt in Ihrer Hand. (PhotoXpress)
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Würdest du dich kurz vorzustellen?
Ich heiße Eva, bin 29 Jahre alt und leide an einer angeborenen körperlichen Behinderung, wegen jener ich nur mithilfe von Krücken gehen kann.
Bist du der Meinung, dass diese Beeinträchtigung auch in Bezug auf dein Sexualleben eine Rolle spielt?
Die Behinderung beeinflusst mein Leben zweifellos. Ihr Einfluss auf mein Sexualleben ist jedoch vielschichtig. Am Anfang stand ich vor einem Berg von mentalen und physischen Barrieren, die ich lernen musste zu „überspringen“.
Könntest du uns vielleicht näher erklären, um was für mentale und physische Barrieren es sich dabei handelte?
Mit den schwersten inneren Kämpfen hatte ich in der Pubertät zu tun. Ich habe so etwa bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr gebraucht, um meinen Körper so zu akzeptieren, wie er wirklich ist. Solche Geschichten prägen die meisten Teenager. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass das auf mich noch um einiges stärker einwirkte. Ich akzeptierte meinen Körper einfach nicht. Zur gleichen Zeit hätte ich es mir auch nie träumen lassen, dass ihn auch jemand anderer akzeptieren könnte. Diese Zeit war jedoch trotzdem in vielerlei Hinsicht äußerst reich an manch anderem Guten. Meine Innenwelt fing damals echt zu blühen an und ich habe es geschafft, in gewisser Weise jenes zu ersetzen, was ich auf jeden Fall vermisste. Man weiß jedoch, dass Wasser niemals Milch ersetzen kann.
Wie prägte deine Umgebung diese Zeit deines Lebens?
Ach ja, die Umgebung. Völlig verschieden. Zuhause wurde ich zwar immer ermutigt und es wurde mir Halt gegeben. Aber wenn man jung ist, dann sehnt man sich nach der Bestätigung seitens der Anderen. Manchmal gab es die, dann manchmal wieder auch nicht, was jedoch normal ist. Über mich wurde aber auch ein ganzer Korb von Bevormundung ausgeschüttet. Davon bekam ich so viel ab, dass es für mein ganzes Leben mehr als reicht. Bevormundung erachte ich als eine der schlimmsten Formen der Nichtakzeptanz. Unter anderem deswegen, da ich finde, dass sich die Menschen dabei keinesfalls bewusst sind, was sie einem damit überhaupt antun. Letztendlich dämmerte es mir, dass die Umgebung und ihre Nichtakzeptanz keine „Schuld“ tragen. Die wichtigste Stufe, die ich im Rahmen meiner Entwicklung zu erklimmen hatte, war das Akzeptieren meiner selbst. Wenn man das schafft, spielt die Umgebung keine so gewichtige Rolle mehr. Eigentlich kann man seine Umgebung auch verändern, sich selber muss man jedoch akzeptieren, wie man ist.
Wann kam es zu deiner ersten sexuellen Erfahrung?
Die Tatsache, dass ich mich in der Oberstufe überhaupt nicht öffnete, dass ich mich in so etwas wie in einen Kokon einmummte und auf keine Partys ging, trug dazu bei, dass dies erst nach der Oberstufe geschah. Aber dann wirklich bald nach Anfang des Studiums. Natürlich, wenn man von Masturbation als der ersten sexuellen Erfahrung absieht. Das ist schon länger her. Meine Wünsche und meine Bedürfnisse sind gleich wie bei allen anderen Menschen und keimten auch zum ähnlichen Zeitpunkt wie bei allen Jugendlichen auf.
Wenn ich das richtig verstehe, blühte dein Sexualleben erst nach der Oberstufe auf? Bedeutet das, dass du einen Freund hattest?
Ich würde das nicht Aufblühen nennen. Ich fing halt mit den ersten Schritten an. Und nein, ich hatte damals keinen Freund. Es ging um so etwas wie eine Vereinbarung. Ich wollte mich nicht übermäßig emotional binden. Na ja, ich habe dann auch recht bald festgestellt, dass diese Vereinbarung keinen Sinn machte, und stieg aus. Beziehungen folgten aber bald danach. Beide Beziehungen, die ich nach dieser Vereinbarung hatte, hielten nicht lange. Beide aufgrund von meiner Behinderung.
Aufgrund der Behinderung?
So wurde es mir gesagt und das glaube ich auch. Ein Leben mit mir verläuft etwas anders. Aber das Leben ist eben anders mit Anderen und da sind anderweitige Verschiedenheiten anscheinend leichter zu ertragen.
Stellte deine Behinderung je eine Barriere für den eigentlichen Geschlechtsverkehr dar?
Na ja, Barriere … Die größten Barrieren entstehen im Kopf. Ich bin zwar körperlich beeinträchtigt, aber auf den Geschlechtsverkehr wirkt sich das nicht besonders aus. Ich mag Sex. In allen möglichen Formen. Ich genieße Sex und lasse mich dabei mit Freude gehen. Meine Behinderung erachteten jedoch andere oft als ein Problem beim Sex. Ich kann nicht sagen, ob Vorurteile dazu beitrugen oder bloß ein Mangel an Fantasie. Jemand, der sich für mich entscheidet oder für irgendeine andere Person mit Behinderung, sollte erst einmal ein offener Mensch sein, der viel Entspanntheit und Sinn für Humor mitbringt.
Könntest du uns vielleicht etwas konkreter erklären, wie sich diene körperliche Beeinträchtigung auf den Geschlechtsverkehr auswirkte? Gäbe es da vielleicht eine Begebenheit, die du bereit wärst, mit uns zu teilen?
Meine körperliche Behinderung hat mich dazu gezwungen, außerhalb jeglicher Einschränkungen zu denken. Eine konkrete Situation … Na ja, ich muss halt jede gängige Stellung, die oft und von vielen praktiziert wird, meinen körperlichen (Un)Möglichkeiten anpassen.
Du sagtest, dass du Sex magst. Was bietet dir Sex?
Wie wahrscheinlich jedermann, beschert mir Sex wundervolle Entspannung. Mental wie auch physisch. Sex macht es mir möglich, aus meinem Körper herauszuschweben. Beim Sex vergesse ich jeglichen Schmerz. Wahrscheinlich verschwindet dabei jeglicher Schmerz sogar. Ich mag Sex und ich genieße ihn auch deswegen, da ich dabei äußerst kreativ sein kann. Manchmal, wenn mir etwas nicht so gelingt, wie ich es mir vorgestellt habe, kann ich auch ordentlich ablachen. Mit den ersten sexuellen Erfahrungen habe ich auch angefangen, meinen Körper anzunehmen, und wurde dadurch mental wie auch physisch völlig frei.
Wie würdest du dein Sexualleben bewerten?
Ich denke mal, dass mein Sexualleben für mich um einiges erfüllender ist als für manchen Anderen. Ich würde mein Sexualleben als angenehm, voller Freude, interessant, heiß und manchmal auch etwas verschlafen bewerten.
Vielleicht noch ein Paar Worte zum Schluss?
Nur das, dass sich Menschen, die irgendeine Behinderungen haben, in ihrem Leben nicht einschränken oder einschränken lassen sollten. Na ja, Gleiches gilt natürlich auch für jene, die keine Behinderung haben. Und wie sich bestimmte Einflüsse auf ihr Leben auswirken, können immer noch sie selber entscheiden.
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